Projektbeschreibung
Seit zehn Jahren führen Studierende am Otto-Suhr-Institut der
Freien Universität Berlin mit großem Erfolg das Projekt
“das krisenspiel” durch.
Das “krisenspiel” besteht aus der Simulation einer internationalen
Krise, für die sich die TeilnehmerInnen für ein Wochenende
in ein abgeschiedenes Tagungshaus zurückziehen, und aus einem
interdisziplinären Vorbereitungsseminar. Ursprünglich wurde
das Planspiel in Form eines Projekttutoriums (PT) und später
mit Trägern der politischen Bildungsarbeit angeboten. Heute ist
das “krisenspiel” ein selbständiges Projekt der studentischen
Vorbereitungsgruppe, das sich über Sponsorengelder finanziert.
Das Spielkonzept ist von Studierenden der FU neu entwickelt worden
und hat verschiedene Plan- und Rollenspiele als Grundlage.
Die Vorbereitungsphase des "krisenspiels" beginnt rund acht
Wochen vor der Krisensimulation. Den TeilnehmerInnen des Krisenspiels
werden jeweils die Rollen von relevanten Akteuren einer ausgesuchten
Krisenregion zugeteilt. In den folgenden zwei Wochen müssen die
TeilnehmerInnen Informationen zu ihrer Rolle in Eigenarbeit recherchieren
und sich schleißlich allen anderen MitspielerInnen vorstellen.
Als Rechrechehilfe erhalten die TeilnehmerInnen einen Reader mit Nachrichten,
Reportagen, wissenschaftlichen Arbeiten etc. zur simulierten Krise.
Alle verpflichten sich, diese Materialien in vollem Umfang (150- 200
DIN A4-Seiten) durchzuarbeiten – dies ist für ihre Identifikation
mit der Rolle und für einen fruchtbaren Spielablauf unerläßlich.
Unmittelbar vor Spielbeginn wird den Mitspielern das spezifisch entworfene
Szenario eröffnet. Darin werden Entwicklungen innerhalb der ausgewählten
Krisenregion zu einer unmittelbar bevorstehenden internationalen Krise
zugespitzt. Das Szenario versetzt die TeilnehmerInnen hundert Tage
in eine glaubhaft fiktive Zukunft; basierend auf den vorher erarbeiteten
Informationen müssen die Mitspieler nun Ihre Kenntnisse in Krisenmanagement
umsetzen.
Die SpielerInnen müssen vor Beginn des Spiels ihre jeweili-gen
Spielziele formulieren. Aufgabe ist es nun, durch geschicktes politisches
Handeln das jeweilige Ziel zu erreichen. Die Spieler können ihre
Schritte wahlweise offen oder geheim tun (z.B. ein offizielles Gipfeltreffen
bzw. eine geheime Regierungsanweisung), reichen sie aber alle beim
»Spielkomitee« - dem Organisatorenteam - ein, das über
Realisierbarkeit und Realitätsnähe der Spielzüge entscheidet.
Offene Schritte werden sofort publiziert, geheime Schritte geraten
in ihrer Wirkung erst später ans Licht. Für die Recherche
des Spielverlaufs und seiner Ergebnisse ist eine eigenständige
Mediengruppe verantwortlich, die stündlich Live-Nachrichten produziert.
Deren Mitglieder haben möglicherweise eigene Interessen (Manipulation,
Hervorheben bzw. Vernachlässigen bestimmter Sachverhalte), die
ebenfalls den Spielverlauf beeinflussen können.
Zum Ende des Spiels vergleichen die SpielerInnen das Erreichte mit
den ursprünglichen Zielen. Zu diesem Zeitpunkt wird eine erste
Bilanz gezogen, in der das Spielkomitee die Handlungen der Spielgruppen
und die Ergebnisse des Spiels analysiert und zur Diskussion stellt.
Ein bis zwei auswertende Veranstaltungen etwa eine Woche nach der
Simulation dienen der kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen
Handeln und dem Nutzen von Theorie und Simulation. Die TeilnehmerInnen
werden darum gebeten, ihren eigenen Spielverlauf noch einmal schriftlich
festzuhalten, um in einem letzten Schritt die subjektiv empfundenen
Verläufe auch schriftlich miteinander zu vergleichen.
Seminarform und Durchführung
Das Projekt versteht sich nicht als klassische Lehrveranstaltung.
Vorausgesetzt wird vielmehr, dass durch intensive und vor allem unkonventionelle
Beschäftigung ein Themenbereich umfassender zu vermitteln ist als
in herkömmlichen Seminaren, in denen sich der Lerneffekt zumeist
auf das stark spezialisierte Thema des eigenen Referates und der Hausarbeit
beschränkt. Die persönliche Einbeziehung bewirkt bei vielen
Studierenden eine höhere Motivation und führt letztendlich
zu einer stärkeren inhaltlichen Auseinandersetzung.
Vor Beginn des eigentlichen ”krisenspiel” werden in vorbe-reitenden
Sitzungen verschiedene theoretische Ansätze Internationaler Beziehungen
vorgestellt und diskutiert, die jeweils unterschiedliche Aspekte politischen
Handelns beto-nen. Dabei werden sowohl Wechselwirkungen zwischen Innen-
und Außenpolitik bzw. Wirtschafts- und Außenpolitik thematisiert,
als auch Theorien der Konfliktforschung. Zu den Veranstaltungen werden
Experten der ausgewählten Krisenregion eingeladen.
Das Spiel selbst findet an einem Wochenende in Klausur außerhalb
Berlins statt. Für den Charakter des ”krisenspiel”
ist es entscheidend, einen geschlossenen Rahmen zu schaffen, damit die
Teilnehmenden sich wirklich mit den gespielten Akteuren identifizieren
und auf die Verhandlungssituation konzentrieren können.
Ziele des Projekts
Studienangebote zu internationalen Beziehungen und Außenpolitik,
internationalen Krisengebieten und Interessenkonflikten sind fester
Bestandteil der Lehrpläne deutscher Universitäten. Simulationsspiele,
die Handlungsab-läufe der »großen Politik« transparenter
und plastischer gestalten, sind hingegen selten. Die Möglichkeit,
dadurch Theorie und Praxis zu verknüpfen, kam bislang zu kurz.
Studieren bedeutet in der Regel die inhaltliche Auseinandersetzung mit
dem Gedachten anderer, in schriftlicher wie in mündlicher Form.
Im ”krisenspiel” selbst soll das theoretisch Mögliche
konkret und praktisch erlebt werden, die kontemplative Distanz zur Theorie
soll einmal dem Spaß an der Sache weichen und eine kritische Beurteilung
des eigenen Handelns ex post ermöglichen.
Die MitspielerInnen des ”krisenspiel” sollen sich mit Geschichte
und (Macht-) Interessen in der vorgegebenen Krisenregion befassen, dann
aber, anstatt Politik zu analysieren, selbst in der Rolle eines politischen
Entscheidungsträgers handeln und daraus neue Perspektiven gewinnen.
Das ”krisenspiel” soll schließlich als soziales Ereignis
eine Abwechslung zum mitunter nüchternen Alltag des Studiums bieten.
Intensiver Austausch und Diskussion können sich bei dieser Seminarform
in einer kreativen und persönlichen Atmosphäre entwickeln.
Anmerkungen zu der Zielgruppe
Der Erfolg der letzten Spiele und die Teilnahme Studierender unterschiedlichster
Fachbereiche haben dazu beigetragen, daß das ”krisenspiel”
an der FU Berlin längst einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht
hat. Darüber hinaus wurden die letzten beiden ”krisenspiele”
von überregionalen Trägern der politischen Bildungsarbeit
gefördert.
Macht und Interessen als Faktoren im Verhandlungsprozeß entstehen
aus Wechselbeziehungen zwischen verschiedensten gesellschaftlichen
Gruppen. Aus diesem Grund versteht sich das ”krisenspiel”
als interdisziplinär. Zielgruppe sind dabei Studierende der Politikwissenschaft
und anderer Disziplinen wie Publizistik, Psychologie, Wirtschafts-
oder Rechtswissenschaft und Regionalstudien.
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